Wissenschaftspreis 2015

der Stiftung Auge


Preisträgerin:
Dr. rer. nat. Aysegül Tura (Lübeck)

Preisträgerin:
Dr. Julia Steinberg (Bonn)


Jurymitglieder
Prof. Dr. Frank G. Holz (Bonn / Vorsitzender mit Stimmenthaltung)
Prof. Dr. Nicole Eter (Münster)
Prof. Dr. Rudolf Guthoff (Rostock)
Prof. Dr. Klaus Peter Steuhl (Essen)

Der Wissenschaftspreis der Stiftung Auge 2015 wird aufgrund identischer Bewertungsnoten geteilt.

Frau Dr. rer. nat. Aysegül Tura (Lübeck) erhält den Preis für die Arbeiten: 

1. Tura A, Lüke J, Merz H, Reinsberg M, Lüke M, Jager MJ, Grisanti S. Identification of circulating melanoma cells in uveal melanoma patients by dual-marker immunoenrichment.
Invest ophthalmol Vis Sci. 2014;55:4395-404. /iovs.14-14512.

2. Tura A, Alt A, Haritoglou C, Meyer CH, Schneider T, Grisanti S, Lüke J, Lüke M; International Chromovitrectomy Collaboration. Testing the effects of the dye acid violet-17 on retinal function for an intraocular application in vitreo-retinal surgery.
Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2014;252:1927-37. 

3. Alt A, Hilgers RD, Nassar K, Schneider T, Hueber A, Januschowski K, Grisanti S, Lüke J, Lüke M, Tura A. The neuroprotective potential of Rho-kinase inhibition in promoting cel survival and reducing reactive gliosis in response to hypoxia in isolated bovine retina.
Cell Physiol Biochem. 2013;32:218-34. 

Frau Tura legt drei hochkarätige Originalarbeiten aus dem Bereich Retinologie vor. Ihre erste Arbeit befasst sich mit der Identifikation zirkulierender Melanomzellen bei Patienten mit Aderhautmelanomen mittels eines neuen immunomagnetischen Essays. Dabei kamen Antikörper gegen die zwei Melanommarker NKI/C3 und NKI/beteb) zum Einsatz. Insgesamt wurden in 93,5 % (29 von 31) der Patienten zirkulierende Melanomzellen detektiert bei primär nicht metastatischem Aderhautmelanom. Signifikante Assoziationen zwischen der Präsens oder Anzahl der zirkulierenden Melanomzellen und klinischen prognostischen Faktoren wurden gefunden. Mit der hocheffektiven Aquisition vitaler zirkulierender Melanomzellen ist eine wichtige Grundlage geschaffen, an diesen Zellen weitere molekulare Charakterisierungen vorzunehmen, die Aufschluss geben können u.a. über das metastatische Potential. Darüber hinaus sind frühe therapeutische Interventionen gegen Metastasierung denkbar.
Die zweite Arbeit befasst sich mit der neuroprotektiven Wirksamkeit einer pharma-kologischen Rho-Kinase-Hemmung. Die Effekte der Inhibition wurden elektrophysiologisch in einem ex-vivo-Modell der isolierten perfundierten Vertebraten-netzhaut unter Hypoxiebedingungen untersucht. Dabei wurden Hypoxiephasen über 15, 30 und 45 Minuten induziert. 

Der Rho-Kinaseinhibitor H-1152P führte zu einer signifikanten Reduktion des Ausmaßes von hypoxienbedingtem Zellschaden und Aktivierung von Gliazellen. Während dieser neuroprotektive Effekt für Nekroseentwicklung Gliazellreaktivität gefunden wurde, hatte der Hemmstoff keine schützende Wirkung auf die hypoxieinduzierte retinale Dysfunktion – möglicherweise aufgrund der Interferenz mit synaptischen Modulationen. Basierend auf diesen Daten wäre es denkbar, dass der Rho-Kinase-Inhibitor während des Einwirkens hypoxischer Noxen zur Verringerung retinaler Schäden speziell der Ganglion-Zellschicht eingesetzt werden kann. Eine klinische Anwendung wäre hierbei beispielsweise ein Arterienast- oder Zentralarterienverschluss gegeben. 

In der dritten Arbeit wird ein neuer Farbstoff, Acid violet-17 (AV-17), zur Anfärbung der Membrana limitans interna untersucht. Mögliche toxische Wirkungen wurden an dem Modell der isolierten, perfundierten Netzhaut untersucht, wobei die Funktion mittels Elektroretinogramm evaluiert wurde. Die B-Wellen-Amplituden wurden vor, während und nach der Applikation von AV-17 bestimmt. Reduktionen der B-Wellen-Amplituden wurden unmittelbar nach Exposition von AV-17 gemessen, die allerdings rasch komplett reversibel waren für Konzentration von 0,125 – 0,25 mg/ml. Höhere Konzentrationen gingen mit Schäden im Bereich der Ganglion-Zellschicht und der glialen Reaktivität einher. Mit der Arbeit ist es den Autoren gelungen, eine sichere, in diesem Modell nichttoxische Konzentration von AV-17 zu bestimmen, womit eine Anwendung dieses Farbstoffes im Rahmen der vitreoretinalen Chirurgie in Frage kommt. 

Frau Dr. Julia Steinberg (Bonn) legt insgesamt 5 Arbeiten vor:

1. Steinberg JS, Fritzke FW, Fimmers R, Fleckenstein M, Holz FG, Schmitz-Valckenberg S. Scotopic and Photopic Microperimetry in Patients with Reticular Drusen and Age-related Macular Degeneration.
JAMA Ophthalmol. 2015; March 26 [Epub ahead of print].

2. Steinberg JS, Göbel AP, Fleckenstein M, Holz FG, Schmitz-Valckenberg S. Reticular Drusen in Eyes with High-Risk Characteristics for Progression to Late-Stage Age-Related Macular Degeneration. Br J Ophthalmol. 2015; March 20 [Epub
ahead of print].

3. Steinberg JS, Auge J, Fleckenstein M, Holz FG, Schmitz-Valckenberg S. Longitudinal analysis of reticular drusen associated with age-related macular degeneration using combined confocal scanning laser ophthalmoscopy and spectral-domain optical coherence tomography imaging. Ophthalmologica 2015; 233(1):35-42.

4. Auge J, Steinberg JS*, Fleckenstein M, Holz FG, Schmitz-Valckenberg S. Reticular drusen over time with SD-OCT. Ophthalmologe 2014; 111:765-71. [* Erstautorschaft geteilt]

5. Steinberg JS, Auge J, Jaffe GJ, Fleckenstein M, Holz FG, Schmitz-Valckenberg S. Longitudinal analysis of reticular drusen associated with geographic atrophy in age-related macular degeneration. Invest Ophthalmol Vis Sci 2013; 54:4054-4060.

Neben harten, weichen, basalen laminaren und kalzifizierten Drusen wurden unlängst sog. „retikuläre“ (Pseudo)-drusen (RDR) als eine häufige phänotypische Ausprägungsform der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) identifiziert. Sie sind charakterisiert durch ein netzartiges Muster aus gelblichen, rundlich bis ovalen Veränderungen mit einem Durchmesser von ungefähr 100 μm am hinteren Augenpol offensichtlich hervorgerufen durch Akkumulation von extrazellulärem Material anterior des retinalen Pigmentepithels. RDR sind von prognostischer Relevanz für die Entwicklung später atrophischer oder neovaskulärer AMD-Formen. Bei früheren Untersuchungen der Arbeitsgruppe wurden RDR bei AMD mittels hochauflösender Bildgebung näher charakterisiert. 

Die erste Arbeit hat die Netzhautfunktion im Bereich von RDR mittels skotopischer und photopischer Mikroperimetrie zum Gegenstand. Hier zeigte sich in einer Querschnittsuntersuchung bei skotopischer Untersuchung eine deutlich reduzierte Sensitivität im Bereich von RDR im Vergleich zu gesunder Netzhaut, wohingegen die photopische Mikroperimetrie nur minimale Veränderungen ergab. Dies zeigte erstmals eine selektive funktionelle Beeinträchtigung der Stäbchenfunktion in Gegenwart von RDR bei nur geringfügiger Funktionseinschränkung der Zapfen-Rezeptorpopulation.

Eine weitere Arbeit bei Patienten mit intermediärer AMD identifzierte im Rahmen der prospektiven, longitudinalen MODIAMD-Studie als Teil eines BMBF-Verbundprojekts ein Vorkommen von RDR von 43% in mindestens einer Bildgebungsmodalität und ein Neuauftreten von 16% über 2 Jahre bei Patienten mit intermediärer AMD. 

Untersuchungen mittels SD-OCT Bildgebung über die Zeit zeigten einen Trend zur Zunahme der Höhe einzelner Läsionen. Eine exakte Alignierung der SD-OCT Folgeschnitte ist jedoch notwendig, um Veränderungen dieser relativ kleinen Strukturen darstellen zu können. Longitudinale Untersuchungen von Fundusautofluoreszenz-Bildern bei Patienten mit geographischer Atrophie zeigten eine Zunahme des Areals mit RDR von 4,4mm2/Jahr. Die Zunahme war signifikant größer als im Vergleich zur Ausdehnungsgeschwindigkeit der geographischen Atrophie. Die Arbeiten führen mittels longitudinalen Untersuchungen und erstmalig durchgeführten Struktur-Funktions-Korrelationen zu wertvollen Erkenntnissen über RDR und tragen zum besseren Verständnis von zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen dieses Hochrisikofaktors bei AMD bei.